Über Frau Dr. med. Christine Preißmann

  • Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie
  • Notfallmedizin
  • Suchtmedizin
  • Diagnose Asperger-Syndrom als Erwachsene
  • Psychotherapeutische Praxis Kreis Darmstadt-Dieburg
  • Vorträge und Publikationen zum Thema Autismus
  • Vorstandsmitglied Autismus Deutschland e.V.
  • Online Seminare zum Thema Autismus
  • Buchempfehlung: Bestellung – Klick auf das Buch!

Interview

1. Welches sind die Ursachen von Autismus? 

Wir wissen, dass die Genetik eine große Rolle spielt, und es sind wohl auch sehr viele Gene, die hier zusammenwirken. Die einzelnen beteiligten Gene konnte man bisher aber nicht identifizieren. Außerdem besteht vermutlich eine schlechtere „Verschaltung“ der einzelnen Hirnbereiche untereinander, und möglicherweise tragen auch Umweltfaktoren zur Entstehung bei (Pflanzenschutzmittel, Weichmacher, Infektionen wie Masern, Medikamente, die während der Schwangerschaft eingenommen wurden, v.a. wohl Antiepileptika…).

Widerlegt auf der anderen Seite sind zum Glück schon lange Erziehungsfehler der Eltern oder Impfungen als mögliche Ursachen für das Entstehen von Autismus.

2. Ist Autismus eine Krankheit?

Definitionsgemäß ist er das, ja. Und das ist einerseits auch wichtig, ohne eine solche Definition könnte es keine Hilfen geben.

Auf der anderen Seite aber haben autistische Menschen neben Schwierigkeiten auch Ressourcen und Fähigkeiten. Sie sind ehrlich, aufrichtig, loyal, begegnen anderen Menschen ohne Vorurteile und sind in der Regel ausgesprochen liebe Menschen. In Schule und Beruf fallen ihre Detailwahrnehmung und ihre Ausdauer bei scheinbar monotonen Tätigkeiten auf, die sich auch gezielt nutzen lassen. Darüber hinaus hat jeder betroffene Mensch ganz eigene Fähigkeiten und Stärken. Und dennoch – in der Regel ist langfristige Hilfe notwendig, um ein schönes und erfülltes Leben führen zu können. Aber das ist ja nicht so schlimm. Hilt Unterstützung glücklich zu sein ist doch auch okay.

3. Was können Eltern tun, bei deren Kind Autismus diagnostiziert wurde?

Im Rahmen meiner Beratungstätigkeit habe ich eine Liste mit möglichen Maßnahmen erstellt, die nun sinnvoll sind.

Zunächst empfiehlt es sich, sich Informationen darüber zu beschaffen, sich also durch Bücher, Vorträge und Erfahrungsberichte zu informieren. Außerdem sollte man sich einem Autismus-Verband anschließen, um sich mit anderen Eltern und Betroffenen austauschen zu können. Für zahlreiche schwierige Situationen wurden bereits Hilfen etabliert, hier kann man auf die Erfahrungen und die Tipps anderer zurückgreifen. Man sollte sich dort beraten lassen über mögliche weitere Schritte, also etwa erfragen, ob es sinnvoll ist, einen Schwerbehindertenausweis und/oder Pflegegrad zu beantragen, wie konkrete Hilfen für Kindergarten, Schule, Arbeit, Freizeit etc. aussehen könnten.

Es ist auch mir ein sehr wichtiges Anliegen, Eltern und betroffene Menschen gerade in dieser ersten Zeit gut zu beraten und ihnen mögliche Hilfen aufzuzeigen. Es gibt eine ganze Menge an Unterstützung, man muss aber darüber Bescheid wissen. Dieses Thema ist auch bei meinen ganztägigen Seminaren ein wichtiger Punkt.

4. Würden Sie Ihrem 6-jährigen Kind mitteilen, dass es Asperger hat und falls ja, gibt es eine Erklärungshilfe für Betroffene?

Ich würde ihm auf jeden Fall seine Auffälligkeiten beschreiben. Ob man den Begriff in diesem Alter nennen will, spielt gar nicht so ganz die entscheidende Rolle. Das Kind muss aber wissen, dass es Dinge gibt, die es besser kann als andere Kinder, und solche, die ihm schwerer fallen. Vor allem aber braucht es die Zusicherung der Eltern, dass es selbst genauso wie jeder Mensch in Ordnung ist, wie es ist, dass jeder eine individuelle Kombination hat aus Fähigkeiten und Schwierigkeiten, dass man sich gegenseitig unterstützen muss bei dem, was schwerfällt. Das sollte das betroffene Kind wissen – genauso wie die Kameraden in Kindergarten oder Schule.

5. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für Menschen mit Autismus/ Asperger-Syndrom?

Je nach Alter und Entwicklungsstand kommen verschiedene Verfahren zur Anwendung:

  • Autismusspezifische Therapie in einem Therapiezentrum
  • Psychotherapie
  • Ergotherapie
  • Selbsthilfegruppen
  • Soziales Kompetenztraining
  • andere Maßnahmen wie Logopädie, kreative Therapiemaßnahmen, Physiotherapie etc.
  • Über die individuell sinnvollen Maßnahmen sollte man sich beim behandelnden Arzt o.ä. beraten lassen.

6. Wie wird Autismus diagnostiziert?

Im Kindes- und Jugendalter mittels standardisierter Verfahren wie Elterninterview und spezifischer Untersuchung (Gespräch bzw. Spielsituation je nach Alter und Entwicklungsstand). Verschiedene Fragebögen können unterstützend eingesetzt werden. Im Erwachsenenalter gibt es keine standardisierten Methoden, dies scheint bei der großen Variabilität autistischer Störungen auch schwierig. Auch hier arbeitet man mit Interviews und Verhaltensbeobachtung. Wichtig ist hier vor allem die Beschreibung der Auffälligkeiten in der Kindheit, bestehende begleitende Erkrankungen, der aktuelle Hilfebedarf etc.