Die wenigsten Menschen haben vom Asperger Syndrom gehört und falls doch, wissen viele nicht, was es konkret bedeutet. Der Bekanntheitsgrad nimmt jedoch zu, denn es kommt immer häufiger vor, dass es ein Kind mit dieser Symptomatik in der Schule gibt. Seit bekannt wurde, dass die Klimaaktivistin „Greta Thunberg“ das Asperger Syndrom hat, wird mehr darüber kommuniziert.
Der Wiener Kinderarzt Hans Asperger hat in den 1930er Jahren erstmalig die Charakteristika katalogisiert und beschrieben. Dazu gehören typischerweise eine gering entwickelte Fähigkeit der Empathie, Probleme beim Schließen von Freundschaften, eine Tendenz Monologe zu führen und ein ausgeprägtes Interesse für eine spezielle Sache oder ein Themengebiet. Es sind häufig Dinosaurier, Züge und mechanische Dinge. Das Interesse liegt in vielen Fällen weniger an der eigentlichen Funktionsweise wie etwa dem Fahren der Züge, sondern an einem sich immer wiederholenden Mechanismus, der das besondere Interesse des Kindes weckt.
Interessen
Mein Sohn hat beispielsweise im Alter von drei Jahren ein ausgeprägtes Interesse für Holz-Züge gehabt. Allerdings begann er wie am Spieß zu schreien, wenn die Bahn aufgebaut war und die ersten Züge starteten. Ich war damals voller Tatendrang und dachte, er müsse sich doch über eine tolle Strecke mit Zügen, die über Brücken und durch Tunnel fuhren, freuen und vor Begeisterung überschäumen. Das Gegenteil war der Fall: er brüllte, hielt sich die Ohren zu, schmiss einzelne Züge von den Gleisen und bat mich lautstark darum, die Loks auszuschalten. Ich war ratlos und enttäuscht. Er pickte sich eine einzelne Sache aus dem großen Ganzen heraus und befasste sich immer wieder mit dessen Funktionsweise. Das konnte beispielsweise ein Magnetkran sein, der Kohle von einem Güterzug durch Herunterkurbeln des Magnetarms aufnehmen und auf einem anderen Zug abladen konnte. Er wurde nicht müde, den Gegenstand über Stunden zu betrachten. Immer wieder kurbelte er den Magnetarm auf und ab, bewegte alle Hebel hin und her. Darüber hinaus musste dieses Einzelteil überall hin mitgenommen werden.
Dies konnte sich über Wochen hinziehen. Egal ob beim Einkaufen, in der Kita, auf dem Spielplatz oder im Schwimmbad, dieses eine besondere Teil hat uns überall hin begleitet. Natürlich hat das ständige Tragen meinen Sohn im Alltag massiv behindert. Wenn er beispielsweise seine Jacke anziehen wollte, hielt er seinen Kran erst in der einen Hand, dann in der anderen Hand. Wenn ich vorschlug, dass er den Kran doch während des Anziehens ablegen soll, wurde er richtig sauer und schrie. Wenn ich auf das Ablegen bestand, konnte es sein, dass er lange Zeit nicht zu beruhigen war. Er benahm sich, als hätte ich ihm etwas ganz essentiell Wichtiges weggenommen. Alle Versuche ihm ganz in Ruhe und quasi mit „Engelszungen“ zu vermitteln, dass das Tragen von Gegenständen ihn im Alltag behindert, scheiterten kläglich. Je mehr ich mich bemühte, desto mehr beharrte er darauf. Mein Mann und ich waren sehr verzweifelt. Unser Umfeld reagierte mit Unverständnis und ich musste mir sehr oft anhören, dass ich mich durchsetzen müsste und ihm verbieten sollte, Sachen mit sich herumzutragen. Das war gut gesagt. Mit der Realität hatte das jedoch nichts zu tun. Die Kinderärztin sprach von einer Phase und die Nachbarn begrüßten uns mit den Worten „Ach! Hat er wieder seinen Krahn dabei!“.
Anders sein mit Asperger Syndrom
Ich habe früh erkannt, dass unser Sohn völlig anders war, als alle Kinder, die mir auf den Spielplätzen oder in der Kita begegneten. Es schien aber so wenig greifbar und nicht genau zu beschreiben, was ihn so unterschied. Er war immer schon ein großer Beobachter und liebte es, wenn ich ihn stundenlang im Kinderwagen durch Museen schob. Da war er noch sehr klein, vielleicht zehn Monate. Er betrachtete alles selenruhig und schien vollkommen ausgeglichen. Den gleichen Effekt üben die Natur, also der Wald, die Berge und das Meer auf ihn aus. Hier kann er bis heute zur Ruhe kommen. Ich habe aus jedem Lebensjahr Bilder, die ihn fasziniert auf das Meer schauend zeigen. Ich habe ihn oft als eine alte Seele in einem jungen Körper wahrgenommen. Viele seiner Interessen passten und passen nicht zu seinem Alter.
Ich wusste nicht, wo ich Hilfe bekommen kann und zu diesem Zeitpunkt wäre es auch noch viel zu früh gewesen. Doch später, im Alter ab vier Jahren fühlten wir uns wie im freien Fall. Vom Kindergarten kritisiert, von Eltern gemieden und von der eigenen Familie unverstanden. Spätestens ab diesem Alter hätten wir Hilfe gebraucht und eine Art Wegweiser. Unser Sohn wirkte besonders bei Anlässen wie einer Geburtstagsfeier oder einer Veranstaltung im Kindergarten, wie ein Bewohner eines unbekannten Planeten, der gerade auf der Erde zu Gast war. Er benahm sich immer dann, wenn er „ein Publikum hatte“ merkwürdig, reagierte harsch und für sein Umfeld unverständlich.
Webseite zum Thema Asperger Syndorm
Wir möchten diese Webseite mit Informationen zum Thema Asperger allen Betroffenen und Interessierten zur Verfügung stellen. Das Erkennen und Einordnen von möglichen Symptomen kann ein erster bedeutsamer Wegweiser sein. Ich schreibe hier viele meiner persönlichen Erfahrungen nieder, bediene mich aber auch international anerkannter Fachliteratur.
Allen Eltern, die ein Asperger Kind auf seinem Weg begleiten, möchte ich sagen: „Haben Sie viel Mut und Durchhaltevermögen. Sie werden viel Geduld brauchen, aber von Ihrem Kind immer wieder aufs Neue von seinen neu erworbenen Fähigkeiten beeindruckt werden. Wenn Sie es zulassen in die Gedankenwelt eines Aspies (wie viele Menschen mit Asperger Syndrom sich selbst liebevoll nennen) einzutauchen, werden Sie fasziniert sein. Ganz neue Türen und Möglichkeiten werden sich eröffnen. Seien Sie offen und bauen Sie Druck und Erwartungshaltungen ab.“