Autistische Kinder reagieren auf Berührungen äußerst empfindlich und erschrecken möglicherweise sogar. Es kann sein, dass sie bei bestimmten Körperteilen eine ausgeprägte Wahrnehmung gegenüber dem Tasten haben. Man kann sich vorstellen, was das unter Umständen für den Alltag bedeutet, wenn beispielsweise die Kopfhaut von dieser Empfindsamkeit betroffen ist. Unter diesen Umständen wird selbst das Haare kämmen zur Tortur.

Umarmungen und Zuneigung

Ein autistisches Kind kann eine starke Abneigung spüren, wenn es von der Oma „geherzt“ werden möchte. Es steigt vielleicht sogar der Impuls des Fluchtgedankens in ihm hoch. Die meisten Kinder fühlen sich in dieser Situation sehr unwohl und möchten so schnell als möglich entkommen. Das Umfeld reagiert häufig mit Unverständnis oder gar Abwendung. Autisten empfinden diese Art der Berührungen meist als zu intensiv, zu nah und regelrecht überwältigend. Es ist besonders wichtig, dass die Eltern diese Empfindsamkeit offen kommunizieren und dem nahen Umfeld in einem persönlichen Gespräch erklären, warum das Kind so reagiert. Gehen Sie auf Ihr Kind ein und suchen Sie nach alternativen Ritualen der Begrüßung. Denkbar wäre auch eine ganz individuelle Folge von Abläufen, wie etwa das Winken mit der einen, dann mit der anderen Hand, ein „Abklatschen“ mit beiden Füßen, erst der rechte, dann der linke. In der Regel macht dieses Ritual den Kindern sehr viel Spaß und sie können ihre Angst, dass jemand ihnen quasi zu nahe kommen könnte, etwas ablegen. Wenn Sie wissen, dass Ihr Kind beim Friseur die besonderen Berührungen scheut, so sollten Sie einen einfühlsamen Friseur suchen und im Vorab die Besonderheiten Ihres Kindes offen kommunizieren. Seien Sie sehr behutsam und nehmen Sie die Ängste Ihres Kindes ernst. Es bringt überhaupt nichts, wenn Sie versuchen, die Ängste klein zu reden oder sie gar zu überhören. Das Problem wird sich dadurch nicht ändern. Im Gegenteil: Die Empfindungen des Kindes sind real und es können noch zusätzlichen Ängste aufgebaut werden, wenn Sie nicht auf das Kind eingehen.

Empfindsamkeit gegenüber bestimmten Kleidungsstücken

Autistische Kinder können sich in bestimmten Kleidungsstücken sehr unwohl fühlen. Ich erinnere mich daran, dass mein Sohn nach der Geburt von der Hebamme angezogen wurde. Jedes Unterhemdchen und Wickelpullover wurde mittels Schnüren am Halsbereich zur Schleife gebunden. Mein Sohn schien sich absolut unwohl zu fühlen und ich erkundigte mich bei der Hebamme, ob es denn vielleicht an der Kleidung liegen könnte. Die tat das als lächerlich ab, doch mein Gefühl sagte mir etwas anderes. Ich bat meinen Mann, Kleidung von zu Hause aus mitzubringen, -Einteiler, die auf der Vorderseite mit Knöpfen verschlossen wurden. Nachdem ich ihn umgezogen hatte, wurden sein Verhalten und seine Unruhe schlagartig besser. Mein Gefühl hatte mich also nicht getäuscht. Für ein autistisches Kind kann sich ein Kleidungsstück wie ein Schmirgelpapier auf der Haut anfühlen. Es gibt auch Kinder, die immer wieder das Gleiche anziehen möchten. In dem Fall lohnt es sich tatsächlich die Garnituren für eine ganze Woche anzuschaffen. Nehmen Sie die Wünsche und Aussagen Ihres Kindes ernst und kümmern Sie sich nicht um die Blicke von Außenstehenden, die sich wundern. Es geht um Ihr Kind, es soll sich wohl fühlen in seiner Haut. Waschen Sie neu angeschaffte Kleidung in jedem Fall vor dem ersten Tragen und meiden Sie Kleidung, die einen körpernahen Schnitt hat. Meiner Erfahrung nach, eignen sich bei autistischen Kindern natürliche Stoffe wie Baumwolle und Seide besonders gut. Lassen Sie Ihr Kind im Sommer auch ruhig nur mit einem Shirt und Unterwäsche bekleidet im Garten oder im Haus spielen. Die meisten Kinder genießen es, locker und großzügig geschnittene Kleidung zu tragen. Vermutlich werden Sie im Laufe der Jahre ein gutes Gefühl dafür entwickeln, welche Kleidungsstücke Ihr Kind mögen könnte. Gleiches gilt für Schuhe. Bei meinem Sohn ist nach jahrelanger Suche nur eine einzige Schuhmarke übrig geblieben, von der er ein bestimmtes Modell wirklich problemlos trägt. Hier sind Geduld und Zuwendung gefragt. Lassen Sie sich bei der Auswahl der Schuhe viel Zeit und bitten Sie Ihr Kind, die Schuhe im Geschäft einige Zeit anzubehalten. Nehmen Sie etwas zum Spielen oder ein Buch zum Anschauen mit, damit die Situation nicht allzu langweilig wird. Falls das Kind nach dem dritten und vierten Paar Schuhe unruhig wird, macht es Sinn, lieber noch ein zweites Mal ins Geschäft zu kommen. Schuhe, die das Kind permanent als Störfaktor empfindet, wird es nicht anziehen wollen.

Geschmäcker sind bekanntermaßen verschieden, doch die von Autisten können sehr anders sein

Mein Sohn hatte als Kleinkind eine Phase, in der er ausschließlich Grießbrei essen wollte. Dabei durfte der Brei nur von einer Marke sein. Wenn ich diesen Brei aus irgendeinem Grund nicht bekam und ich ihm einen anderen Brei auf seinen Teller gab, aß er ihn nicht, obwohl er nicht wissen konnte, dass es ein anderer war. Er war wie süchtig danach. Ich gab mit alle Mühe, ihm andere Lebensmittel schmackhaft zu machen. Ich fuhr zum Markt, kaufte Biogemüse und Kartoffeln ein und bereitete einen schmackhaften Brei zu. Ich ließ ihn bei der Zubereitung zuschauen und gab ihm auch ganze, gekochte Kartoffeln in die Hand, in der Hoffnung er würde vielleicht mal hineinbeißen. Die Kartoffel zerquetschte er in seiner Hand und war sehr fasziniert von ihrer Konsistenz. Essen wollte er sie jedoch in keinem Fall. Man könnte auch sagen „unter keinen Umständen!“

Genauso lief es mit dem Brei. Immer und immer wieder kaufte ich mit einer hohen Erwartungshaltung ein und bereite alles zu. Essen wollte er jedoch nichts davon. In der Kita sagte mir anfangs seine Erzieherin, dass er sich bald an den anderen Kindern orientieren würde und dann selbst andere Lebensmittel testen wolle. Das traf aber nicht ein. Selbst seine Erziehrinnen merkten irgendwann, dass er nur diesen Grießbrei aß. Zeitweise hatte ich mit der Gruppenleitung vereinbart, dass wir keinen Brei mitgeben und ihm das Essen, welches alle Kinder am Morgen und zu Mittag bekamen, anböten. Dies ging gewaltig nach hinten los, denn mein Sohn verweigerte dieses Essen und aß dann einfach gar nichts. Von meinem Umfeld bekam ich viel Kritik, auch von den eigenen Eltern. Dass ich nicht streng genug sei, den Jungen verziehen würde und ähnliches. Es war sehr schmerzhaft, denn ich spürte, dass mein Sohn eine Besonderheit hat und diese Verhaltensweise aus gutem Grund an den Tag legte. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass an dieser Stelle Geduld und Durchhaltevermögen angesagt ist. Der Radius an Lebensmitteln wird zunehmen, aber eben in einem eigenen Tempo. Bei uns war das Thema Grießbrei von heute aus morgen erledigt und kam auch nie wieder auf. Ich glaube er wurde von „Spaghetti Bolognese“ abgelöst. Ein autistisches Kind hat eine andere Sensitivität gegenüber Lebensmitteln und es ist keine Böshaftigkeit oder Unart, wenn es manche Nahrungsmittel verweigert. Sie sollten ihm die gesamte Lebensmittelpalette anbieten, aber akzeptieren, wenn es sich phasenweise nur auf bestimmte konzentriert. Mit der Zeit werden Sie herausfinden, welche Lebensmittel Ihrem Kind schmecken und können auch anhand der Textur, der Beschaffenheit und des Geschmacks andere, ja vielleicht ähnliche Sorten anbieten. Oft mag ein Autist auch eine ganz bestimmte Struktur einfach nicht, wie etwa wenn ein Obst „matschig“ ist. Ermutigen Sie Ihr Kind und nehmen Sie ihm die Angst. Lassen Sie es die Lebensmittel anfassen oder auch daran lecken. Beziehen Sie es in die Zubereitung des Essens mit ein. Und sehen Sie es so: Wenn es beim Kochen eine Erbse immerhin probiert hat, so hat es sich gelohnt. Manche Menschen mit Autismus haben ein Leben lang nur eine schmale Palette an Lebensmitteln, die sie zu sich nehmen. Man sollte das akzeptieren und respektieren.