Heute weiß man, dass Kinder mit Autismus (auch Autismus-Spektrum und Asperger), äußerst sensibel und reizoffen auf Geräusche und Berührungen reagieren. Hingegen ist das Schmerzempfinden etwas herabgesetzt, sodass sich manche Eltern wundern, wenn sie Verletzungen beispielsweise an Knien oder Ellenbögen sehen, die das Kind überhaupt nicht mitgeteilt hat.

Rund 40 Prozent dieser Kinder haben diese auffällige Sensibilität. Auch Kinder, die das Asperger Syndrom haben, können diese Symptome zeigen. Bei manchen Kindern geht es sogar soweit, dass sie  spezielle Empfindungen gar als unerträglich empfinden. Alleine der Gedanke an dieses Empfinden löst bei den Kindern Unbehagen, bis hin zu Angst und Panik aus. Die gute Nachricht ist allerdings, dass eine Überempfindlichkeit in den meisten Fällen mit zunehmendem Alter der Kinder abnimmt. Wenige Menschen behalten diese Problematik jedoch ein Leben lang. Das Umfeld der betroffenen Kinder muss die Art zu fühlen und zu hören, erst einmal verstehen und vor allem akzeptieren. Es bringt nichts zu einem Kind Sätze wie: „Das ist doch nicht schlimm!“ oder „Das tut doch gar nicht so weh!“ entgegen zu bringen, denn die Kinder empfinden es ja tatsächlich so extrem und Sie werden nichts verändern. Asperger-Kinder wundern sich zusätzlich darüber wie es sein kann, dass Andere ihre Empfindungen nicht in dem Ausmaß teilen. Vermitteln Sie Ihrem Kind in jedem Fall, dass Sie es ernst nehmen und bitten Sie auch Menschen im engeren Umfeld (Großeltern, Freunde und Erzieher), die Situation genauso ernst zu nehmen. Mit der Zeit werden Sie ziemlich genau wissen, welche Geräusche und Berührungen Ihr Kind aus der Fassung bringen. Arbeiten Sie daran, diese einzuschränken oder wenn es machbar ist, sie gänzlich zu vermeiden. Autistische Kinder reagieren auch häufig auf bestimmte Lichter, Geschmäcker, Aromen und Farben. Auf der anderen Seite kann sich ein Kind von einer Temperatur von über 30 Grad im Schatten völlig unbeeindruckt zeigen. Oder beispielsweise im Winter überhaupt nicht fühlen, dass es unbedingt eine Mütze aufsetzen sollte.

Studien und Beobachtungen von Betroffenen haben gezeigt, dass man die besonders unangenehmen Geräusche in drei wesentliche Gruppen einteilen kann:

Komplexe Klänge:

Hier ist eine Vielzahl von gleichzeitigen und intensiven Klängen gemeint, die verwirrend wirken können. Stimmengewirr, welches in Einkaufszentren oder großen Veranstaltungen häufig vorkommt, ist für die Betroffenen nahezu unerträglich.

Ich erinnere mich an eine Begebenheit, als mein Sohn vier Jahre alt war. Es war Heiligabend und ich hörte mir einen Satz aus dem Weihnachtsoratorium an. „Jauchzet frohlocket!“, ertönte es im Chor und die Pauken schlugen kräftig. Mein Sohn machte ein Gesicht, als würde er ein Ufo bei seiner Landung beobachten. Nachdem der Satz zu Ende war, dachte er einen Augenblick nach und sagte dann: „Mama? Sind diese Leute verrückt geworden? Warum schreien Sie so? Das tut mir weh!“

Genereller Lärm:

Dabei handelt es sich in aller Regel um Alltagslärm, der plötzlich und laut auftritt. Es kann ein Hammer sein, der auf einer Baustelle zu hören ist. Zwei U-Bahnen, die zur gleichen Zeit einfahren, eine Durchsage am Bahnsteig und viele andere mehr.

Manchmal fragt mein Sohn mich nach einem Besuch in der Stadt etwas, das ihn besonders gestört hat. Einmal standen wir in einem Delikatessenhaus an der Theke und er wirkte auf mich sehr abwesend. Immer wieder schien er zu erschrecken und etwas zu suchen. Als wir eine Zeit lang wieder zu Hause waren fragte er mich, warum der Mann immer in seiner Tasche geklickt hatte? Es hat etwas Zeit gebraucht um herauszufinden, was er meinte. Ein Mann, der mit uns in der Warteschlage stand, klickte wohl nervös mit einem Kugelschreiber, der sich in seiner Manteltasche befand. Er ließ die Miene aus- und einklicken. Immer und immer wieder. Mein Sohn fragte, warum er das so laut gemacht hätte. Dieses Geräusch hatte ihn so irritiert, sodass er die Frage der Verkäuferin, ob er eine Scheibe Wurst möchte, nicht einmal hörte. Und mir selbst war es nicht aufgefallen, denn das Geräusch wurde durch das Stimmengewirr und die anderen Geräusche übertönt.

Elektronische Geräte:

Dabei handelt es sich um ein anhaltendes und schrilles Geräusch, welches man sehr häufig bei kleineren elektrischen Geräten hat. Die Geräusche können sehr leise sein, sodass ein Außenstehender schon sehr genau hinhören muss, um es wahrzunehmen. Wir hatten mal ein Badewannenradio, das ein stetiges Surren abgab. Mein Sohn hat sich jedes Mal die Ohren zugehalten, sodass ich es kurzerhand abmontiert habe.

Sich auf das Kind einlassen und Verständnis zeigen

Für Außenstehende ist es generell schwer, diese spezifischen Leiden nachzuvollziehen. Dennoch sollten Sie versuchen, sich in das Kind so gut es geht hineinzuversetzen, auch wenn Sie die Empfindungen Ihres Kindes nicht gleichermaßen erfahren. Stellen Sie sich dazu am besten vor, welches Geräusch Ihnen einen Schauer über den Rücken jagt. Denken Sie genau an dieses Unbehagen, wenn Ihr Kind von einem Geräusch zusammen zuckt. Verändern Sie auch Ihr Umfeld so, dass es möglichst arm an Reizen ist. Fragen Sie Ihr Kind auch ganz gezielt, welche Geräusche es stören und welches Gerät, bzw. welchen Reiz es am Liebsten aus dem Haus verbannen möchte. Sicherlich kann man keine reizfreie Wohnung erschaffen, aber doch zumindest eine Atmosphäre, in der sich das Kind nicht permanent diesen Geräuschen ausgeliefert fühlt.

Wenn Ihr Kind beispielsweise das Geräusch des Staubsaugers als unerträglich empfindet, so können Sie das Saugen in eine Zeit verlegen, in der das Kind nicht da ist oder es bitten, so lange im Garten oder auf dem

Balkon zu warten. Es gibt auch spezielle Lärmschutz-Kopfhörer für Kinder, die es aufsetzen kann, wenn ein besonders unerträgliches Geräusch gerade nicht zu umgehen ist.